Die Ahnentafel im Lichte der Genetik

Von Arndt R i c h t e r

e-mail: richter@genetalogie.de


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Über den Autor

Buch:
Titelseite und
Inhaltsangabe

Rezensionen

Die 17fache
Abstammung der bayerischen Könige

 

Über Weert Meyer

In meinem 1997 erschienenen  Buch 

Die Geisteskrankheit der bayerischen Könige 
Ludwig II. und Otto 

Eine interdisziplinäre Ahnenstudie mittels Genealogie, Genetik und Statistik 
mit einer EDV-Programmbeschreibung von
Weert Meyer

erwähne ich im Vorwort, daß parallel zur "genealogisch-individualisierenden" Abfassung dieses Buches noch eine zweite unveröffentlichte Fassung zum gleichen Thema [Beispiel und Methode!] konzipiert wurde: nämlich eine mehr "genetisch-generalisierende". 

Aus dieser interdisziplinären Studie mit dem Titel 
 

Tabellen:
Die 110 
erbstärksten
autosomalen bzw.
X-chromosomalen
Ahnen

Genetische Erbwahrscheinlichkeits-Rangfolgen bei Ahnen: 

Eine Klassifikation der Ungleichheit! 

sei hier vorab bereits einiges zitiert: 

Genealogie und Genetik werden von den gleichen "Flußläufen" gespeist. So wie der Verlauf der Flüsse durch die Landschaft geprägt ist, so wird der Weg der Vererbung durch genealogische Strukturen bestimmt. Es sind dieselben "Flußläufe", die beide scheinbar so entgegengesetzte Wissenschaften (Geschichtswissenschaft und Naturwissenschaft!) durchziehen Die Abstammungslinien der Genealogie (hier auch Filiationslinien genannt) entsprechen vollkommen den Vererbungslinien der Genetik (hier auch Genfluß oder Keimbahn genannt)! ... 

Aus methodischen Gründen liegt das in Jahrhunderten erforschte genealogische Datenmaterial der mitteleuropäischen Dynastenfamilien fast ausschließlich in Form von sog. Stamm tafel - Sammlungen vor (eine 13 Generationen umfassende Nachkommen tafel von Karl dem Großen ist eine sehr wertvolle Ausnahme!; s. BRANDENBURG 1935). Stammtafeln sind aber bekanntlich nur Zusammenstellungen von genealogischen Daten einer Familie (i.a. also nur von Trägern des gleichen Namens!), bei denen alle "ausheiratenden" Töchter nicht mehr weiter verfolgt werden. Trotz dieser einseitigen Bevorzugung der männlichen (familiennamenführenden!) Personen der Stammtafeln sind diese genealogischen Abstammungssammlungen der fürstlichen Häuser Mitteleuropas die wichtigsten wissenschaftlichen Quellen zur Datenanalyse (wenn sie auch nur auf eine bestimmte Gesellschaftsschicht beschränkt sind). Vollständige Nachkommen- oder Ahnentafeln lassen sich nämlich aus den einzelnen Stammtafeln derjenigen Familien zusammenstellen, in die die Töchter eingeheiratet haben. 

Von diesem Datenmaterial zu allgemeinen biologischen / soziologischen Erkenntnissen zu kommen, war bislang sehr erschwert, weil die fürstlichen Genealogien aufgrund der gehäuften Verwandtenehen extrem stark verwandtschaftlich verflochten sind. Bei großen Nachkommenschafts tafeln lassen sich die individuellen(!) Personen"schwund"-Phänomene aufgrund der Verwandtenehen (Nachkommenimplex) leider methodisch nicht befriedigend durch einen allgemeinen Algorithmus berechnen. 


Eine indirekt-statistische Methode zur Berechnung genetischer Erbwahrscheinlichkeits - Unterschiede von Personen ist aber bei Ahnenschafts tafeln möglich: jede Ahnentafel (AT) ist durch eine mathematisch - einheitliche Struktur gekennzeichnet, ganz im Gegensatz zur individuell-verschiedenen Struktur der Nachkommentafel (unterschiedliche Kinderzahlen!). 

Der mathematisch streng gesetzmäßige Aufbau der AT ist ihre bemerkenswerteste quantitative Eigenschaft. Jedes Individuum besitzt nicht mehr und nicht weniger als 2 Eltern. Damit ist die Anzahl der Ahnen in jeder Generation k eindeutig bestimmbar, nämlich 2 k . Dieses Gesetz gilt streng genommen ohne Ausnahmen auch bei Verwandtenehen in der AT, wo Ahnenimplex (meist als "Ahnenverlust" bezeichnet) auftritt (s. u.). Nur sind in einer implexbehafteten AT nicht mehr alle Ahnen lauter personenverschiedene Ahnen, sondern gewisse Ahnen (personengleiche!) kommen mehrfach vor. Diese Mehrfachahnen müssen zur biologischen Bewertung nicht nur mehrfach gezählt, sondern oft auch noch generationsmäßig unterschiedlich gewichtet werden, da "Verschiebungen" in höheren Generationen die Regel sind. 

Abstammungslinien
und Ahnen
Die Anzahl der Abstammungslinien in einer Generation k bleibt aber immer konstant (2 k );  nur führen bei Verwandtenehen innerhalb einer Ahnenschaft von einzelnen Ahnen (= Mehrfachahnen) mehrere Abstammungslinien auf den Probanden. Ein solcher(!) Mehrfachahn als gemeinsamer Ahn einer Verwandtenehe hat dann nicht nur ein "Ahnenkind", sondern zwei oder mehrere "Ahnenkinder" (als "Ahnengeschwister"), was genetisch einer "Genfluß"-Verzweigung entspricht. Charakteristisch für eine solche AT sind also "Verwandtschaftsringe" (= geschlossene "Blutkreise"), bestehend aus Abstammungslinien-Verzweigungen und - Vereinigungen
Der gesetzmäßige Aufbau der AT erlaubt es, mit einer einzigen Nummer für jeden Einzelahn seine genealogische und damit auch biologische Stellung eindeutig anzugeben; für Mehrfachahnen gilt sinngemäßes mit mehreren Nummern.

Aufbauprinzip
der Dualzahlen

Ahnentafel-
Struktur

"Dualer Stammbaum" aus Ahnentafel Goethe:
Lucas Cranach - Heilige Elisabeth

G. W. LEIBNIZ (1646-1716)
Pedigree and Ancestors

Leibniz'
erforschte
Ahnen

Aus
Leibniz' Manuskript
mit Medaillenentwurf

Medaillenentwurf 2

Die heute übliche Ahnen-Numerierung - zumindest in der Genealogie - hat Stephan KEKULE v. STRADONITZ (1898) vorgeschlagen. Als sprechender Schlüssel mit innerer Dualzahl-Struktur beginnt sich diese nach ihm benannte Numerierung jetzt weltweit durchzusetzen; sie ist auch "deckungsgleich" mit dem Dualzahl-Aufbauprinzip (Dualzahl - "Stammbaum").

Das duale Rechnen mit den bloßen Ziffern Null und Eins hat bekanntlich der Universalgelehrte Gottfried Wilhelm LEIBNIZ (1646-1716) begründet. Auf sein "göttliches" Zweiersystem war er besonders stolz. Da Leibniz auch als einer der allerersten Pioniere der kritisch-wissenschaftlichen Genealogie betrachtet werden kann (Welfengeschichte!), hier auch noch zwei Links auf Leibniz' erforschte Ahnen (dargestellt als Dualzahl-"Stammbaum") und sein Faksimile-Manuskript Das dyadische Zahlensystem aus dem Jahre 1679.

Leibniz' Dualsystem ist heute nicht nur das fundamentale Rechensystem der modernen Digitaltechnik, sondern es entpuppte sich auch als ein Urprinzip des Lebens, z.B. der Genetik zweigeschlechtiger Lebewesen. Deshalb lassen sich auch mit der dualen Kekule-Ahnennummer z.B. die komplizierteren Verhältnisse der x-chromosomalen Vererbung (s.u.) innerhalb der Ahnentafel am elegantesten beschreiben und berechnen. Auf die Fibbonaci-Zahlenreihe ("Goldener Schnitt"!) innerhalb der "X-Chromosomen-Ahnentafel" des Menschen hatte der Autor bereits vor 20 Jahren hingewiesen ( RICHTER 1979 ).

Um die Berechnungsmethoden für die genetischen Erbwahrscheinlichkeiten anwenden zu können, kommt einer speziellen Datenaufbereitung der hochkomplexen verwandtschaftlichen Verflechtung eine fundamentale Rolle zu ( RICHTER 1987 / 1989 ; MOSER 1995). Mit einer abstammungscodierten Numerierung aller Geschwister in der Ahnentafel (Verschwisterungsliste) sind nämlich alle Ahnentafel-Nummern jedes Mehrfachahns implizit bestimmt und damit gleichzeitig alle Abstammungslinien der Mehrfachahnen fixiert. Daraus lassen sich dann mit Hilfe des neuen EDV-Programms ( MEYER 1995) für jeden Einfach- oder Mehrfachahnen die genetischen Erbwahrscheinlichkeits-Kennwerte berechnen. 
 
Jeder verwandtschaftlichen Verflechtung liegt eine Verwandtenehe zugrunde. Jede Verwandtenehe kann aber auch immer ganz eindeutig einem Geschwisterpaar oder auch mehreren - dann ist es eine Geschwister gruppe - zugeordnet werden. Die Geschwister einer AT bilden die Brücke zu den gemeinsamen Ahnen (und damit zur Mehrfachahnenschaft). Die Geschwister sind also die eigentlichen Grundbausteine jeder biologischen AT-Verwandtschaft. Die Verwandtenehen sind als Genfluß-Vereinigungen die entsprechenden "Gegenpole" zu den jeweiligen Ahnengeschwistern, den Genfluß-Verzweigungen. Alle Verwandtschaftsstrukturen sind also immer durch die bereits genannten "Verwandtschaftsringe" gekennzeichnet. 

An Dynasten-AT Mitteleuropas kann eindrucksvoll nachgewiesen werden, daß sich die Ahnentafel strukturen mit zunehmender Forschungstiefe immer mehr den Stammtafel strukturen der jeweiligen Familien annähern (sie werden zunehmend "allgemeiner"), sofern die Nachkommen nicht bereits nach wenigen Generationen ausgestorben sind, sondern einen gewissen Schwellenwert (quasi eine "kritische Masse") erreicht haben ( SCHELLING 1945). Denn immer mehr verschiedene Kinder (= Voll- oder Halbgeschwister!) der Stamm(tafel)eltern , sind dann als gemeinsame Ahnen einer großen Anzahl von Neuzeit-Probanden nachweisbar, die also z.B. 500 oder 600 Jahre später als das Bezugs-Stammelternpaar gelebt haben. 

Oder verkürzt ausgedrückt: 

Mit zunehmender Erforschung einer AT werden immer mehr scheinbare Schwägerschaften ( = "Seitenverwandte" ) zu Ahnenschaften . Denn: Immer mehr Geschwister der Ahnen enthüllen sich als direkte Ahnen. Der geschichtliche Personenkreis einer Stammtafel wird also dann immer vollständiger von einer AT-Struktur erfaßt! Die geschichtlichen Stammtafel-Personen werden dabei quasi von Spiegeln aus betrachtet, die in der "Zukunft ihrer Nachkommen" (als AT-Probanden) aufgestellt sind. ... 
Alle an Ahnenschaften abgeleiteten genetischen und genealogischen ("geneTalogischen") Phänomene gleichen mit wachsender Forschungstiefe also immer mehr denen der Nachkommenschaften, da sie letztlich auf den gleichen Gesetzmäßigkeiten basieren. Das Phänomen der "Konstanz des biologischen Verwandtschaftsgrades", das an der Nachkommenschaft Karl des Großen nachgewiesen worden ist ( RÖSCH 1977), gilt auch für Ahnenschaften, wie aus unseren Ergebnissen zu entnehmen ist. ... 
In jeder AT müssen aus naturgesetzlichen Gründen Verwandtenehen auftreten (Weltbevölkerungszahl!), wenn es sich meist auch erst in höheren Generationen nachweisen läßt. Allerdings ist es bei den einzelnen AT sehr unterschiedlich, ob bzw. wann auch in den unteren Generationen erstmals Verwandtenehen auftreten. Im einzelnen gibt es große Unterschiede, wie progressiv-dynamisch das Auftreten von Verwandtenehen innerhalb der unteren Generationen fortschreitet. In den nahen Ahnengenerationen werden diese Unterschiede weitgehend von örtlichen Zufälligkeiten bestimmt. Die Größe der Heiratskreise und soziologische Eigentümlichkeiten beeinflussen sich gegenseitig: Isolate einerseits, sowie Heiratsbräuche (Diaspora) und / oder Klassenschranken ("Ebenbürtigkeit") andererseits. Den Phänomenen der Verwandtenehen wurde in den einzelnen Kulturkreisen eine unterschiedliche Bewertung zuteil. Während bei den ägyptischen Pharaonen Geschwisterehen in hohem Ansehen standen (noch KLEOPATRAS AT legt darüber ein beredtes Zeugnis ab; RÖSCH 1961), sind in der jüdisch-christlichen Geschichte solche Inzestverbindungen streng verboten (3. Buch Mose, Kap. 18,6ff. und 20,17 u.19). 
Einige aus Ahnenschaften resultierende quantitative und "qualitative" Phänomene werden wissenschaftlich bereits seit Menschengedenken diskutiert. PLATON läßt z.B. im Dialog THEAITETOS (um 360 v.Chr.) Überlegungen über die Zahl und Art der Ahnen anstellen. Dabei läßt PLATON das Gespräch auf eingebildete Edle kommen, die sich einer kleinen Zahl hervorragender Ahnen rühmen. SOKRATES nennt sie kurzsichtig und tadelt, daß sie 
" aus Unwissenheit nicht vermögen, immer auf das Ganze zu blicken noch zu berechnen, daß ...Vorfahren unzählige Tausende ein jeder gehabt hat, worunter Reiche und Arme, Könige und Knechte, Ausländer und Hellenen oftmals zehntausend können gewesen sein bei dem ersten besten " ( PLATON 1969). 
Daraus läßt sich sogar deuten, daß man schon damals die Zahl der physischen Ahnen zu berechnen versuchte. Aber erst in der Neuzeit ist man aufgrund umfangreicher genealogischer Forschungs- und Zusammenstellungs-Ergebnisse diesem Ziel quantitativ näher gekommen. 

Gregor Mendel:

Ahnenschaft

Mendels Eltern:
auf 64 Wegen
verwandt !

Ahnentafelausschnitt

Noch bevor 1900 die Genetik geboren wurde - Gregor MENDELS grundlegende Arbeit von 1865 schlummerte meist noch ungelesen in abgelegenen Institutsregalen! - , berechneten Genealogen aufgrund dynastischer Genealogien den sog. Ahnenimplex (von lat. implexus : Verflechtung, Verschlingung), auch Ahnenschwund, -verlust, -gleichheit oder -häufung genannt, also den Unterschied zwischen theoretischer Ahnenzahl atk (= 2 k ) und physischer Ahnenzahl apk in der Generation k (Friedrich Theodor RICHTER 1877). 

 

1922 wurden von dem amerikanischen Populationsgenetiker Sewall WRIGT die ersten exakten Formeln zur Berechnung der autosomalen genetischen Verwandtschaft zwischen 2 Personen angegeben (sowohl für die gerade Linie als auch die Seitenlinie). Als Maßzahl definierte er hier den Verwandtschaftskoeffizienten (coefficient of relationship). Für das schicksalhafteste Verhältnis in Hinblick auf den Probanden, nämlich die Verwandtschaft zwischen Vater und Mutter, führte WRIGHT gleichzeitig den Inzuchtkoeffizienten (coefficient of inbreeding) ein ( WRIGHT 1922). Dieser genetische Probanden-Kennwert, der die sog. Homozygotie-Wahrscheinlichkeit angibt, kann mitunter zur Krankheitsrisiko-Abschätzung herangezogen werden. Entsprechende x-chromosomale Berechnungsformeln folgten später seitens der Genetik ( GEPPERT / KOLLER 1938, HALDANE / MOSHINSKY 1939 und [ergänzt um ein Inzuchtergänzungsglied] JACQUARD 1974). Diese aus den Vererbungsgesetzen abgeleiteten genetischen Erbwahrscheinlichkeiten quantifizierten damit das Verwandtenehen-Phänomen biologisch. 
 
1944 berechnete der Mathematiker Hermann v. SCHELLING die durchschnittliche verwandtschaftliche Verflechtung einer Bevölkerung auf mathematisch-stochastischem Wege aufgrund von Beispiel-Genealogien (AT) als Datenbasis. In Abhängigkeit von der Größe der Heiratskreise hat v. SCHELLING damit erstmals eine exakte "Ahnenschwundregel" aufgrund der Verwandtenehen-Häufigkeit angegeben ( v. SCHELLING 1945 ). Damit konnte auch die bereits in der Akademie des PLATON gestellte Frage nach der physischen Ahnenanzahl innerhalb einer AT beantwortet werden: Eine wohl seltene Ausnahme, daß ein mathematisches Problem elementaren Charakters erst nach Jahrtausenden gelöst worden ist! 
1955 wurde die Quantitative Genealogie begründet und die aus Verwandtenehen abgeleitete Mehrfachahnenschaft präzisiert ( RÖSCH 1955 , 1977 ): Strukturierung der Mehrfachahnenschaft (mit der Häufigkeit z) als vollständiges Generationsspektrum gb und die Berechnung des summarischen biologischen Verwandtschafts grades g’b über die einzelnen mittleren biologischen Verwandtschafts anteile b . Die summarischen biologischen Verwandtschaftsgrade g’b sind exakte Vergleichskennwerte für die normal-chromosomalen (autosomalen) Erbwahrscheinlichkeiten zwischen den einzelnen Ahnen (Rangfolgenordnung!). 

Im negativen
Sinne:
Bayerische Könige

Im positiven
Sinne:
Bismarck

a) väterliche
Seite

b) mütterliche
Seite

1979 wurden die summarischen biologischen Verwandtschaftsgrade g’b um den x-chromosomalen Erbgang ergänzt ( RICHTER 1979). Strukturvergleiche an gut erforschten AT führten daraufhin zur Arbeitshypothese von der "besonderen Mittlerrolle x-chromosomaler Gene bei der Ausprägung geistiger Eigenschaften" ( RICHTER 1989 , 1990 Eine „Prachtgestalt" in Bismarcks Ahnentafel — Aus der Ideengeschichte einer Wissenschaft). 
 
Ab 1991/1992 können die überaus komplexen Kennwert-Berechnungen auch mittels eines neuen EDV-Ahnenstatistik-Programms (AHNAUSW.PRG) durchgeführt und jetzt damit auch sehr umfangreiche Dynasten-AT berechnet werden ( MEYER 1995). Für diese computerisierte Quantitative Genealogie, die um den x-chromosomalen Erbgang gleichberechtigt(!) erweitert wurde, wird die spezielle Wissenschaftsbezeichnung GeneTalogie vorgeschlagen. 
 

Die "geneTalogischen" Phänomene, die auf den AT-Verwandtenehen basieren, sind das eigentliche Thema unserer Studien. Dabei dürfte die Tatsache der eklatanten genetischen Erbwahrscheinlichkeits- Unterschiede zwischen vergleichbaren Ahnen in wissenschaftliches Neuland vorstoßen.

Wir meinen, daß diese großen Unterschiede bislang von den genetischen Wissenschaften nicht erkannt werden konnten, da bisher ein geeignetes EDV-Programm zur Berechnung fehlte. Hinzu kommt, daß für Dynastengenealogien dieser Tiefendimensionen eine spezielle genealogische Datenaufbereitung eine unerläßliche Voraussetzung ist (Verschwisterungsliste VSL und Mehrfachahnenliste MAL). 

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Dieser (hier etwas erweiterte) Artikel wurde veröffentlicht in:

RICHTER, Arndt (1997): Die Ahnentafel im Lichte der Genetik.
GENEALOGIE, H.7-8, S. 626-631.


Literatur:

 
BRANDENBURG, Erich (1935): Die Nachkommen Karls des Großen, Leipzig (Zentralstelle für deutsche Personen- u. Familiengeschichte), 124 S. Ein neuer Faksimile - Nachdruck mit Korrekturen und Ergänzungen von Manfred DREISS und Lupold v. LEHSTEN erschien 1995 , Neustadt/Aisch (Degener), 165 S.

GEPPERT, Harald / KOLLER, Siegfried (1938): Erbmathematik. Theorie der Vererbung in Bevölkerung und Sippe, Leipzig (Quelle und Meyer).

HALDANE, J.B.S. / MOSHINSKY, Pearl (1939): Inbreeding in Mendelian Populations with special Reference to Human cousin marriage; in: Annals of Eugenics, Vol. IX, p.321-340.

JACQUARD, Albert (1974): The Genetic Structure of Populations. Berlin, Heidelberg, New York (Springer) , S.114-116.

KEKULE v. STRADONITZ, Stephan (1898): Über eine zweckmäßige Bezifferung der Ahnen; in: Vierteljahrsschrift für Wappen-, Siegel- und Familienkunde (Herold, Berlin) Bd.26, S.64-72 (1 Tafel).

MENDEL, Gregor (1865): Versuche über Pflanzen-Hybriden; in: Verhandlungen des naturforschenden Vereins in Brünn, Bd.4, Abh. S.3-47 [lt. Mendel-Forscher Prof. Franz WEILING, Bonn (1993), gingen von den 500 Druckexemplaren 115 an Institutionen oder Bibliotheken, hinzu kamen 40 Sonderdrucke!].

MEYER, Weert (1995): Ein Computerprogramm für die Ahnentafelanalyse nach den Regeln der quantitativen Genealogie; in: Computergenealogie Jg.11, H.33, S.175-183.

MOSER, Hans R. (1995): Verschiedene AT-Verschwisterungslisten (unveröffentlicht; s. unter Meyer [1995]).

PLATON (1969): zitiert nach: Platon - Sämtliche Werke, 2.Bd. (herausgegeben von Erich LOEWENTHAL, 6.Aufl.): Theaitetos [174c-175B] S.609, Köln (J. Hegner).

RICHTER, Arndt (1979): Erbmäßig bevorzugte Vorfahrenlinien bei zweigeschlechtigen Lebewesen; in: Archiv für Sippenforschung, Jg.45, H.74, S.96-109.

RICHTER, Arndt (1987): Gedanken auf dem Genealogentag 1987 in Kaiserslautern und danach; in: Quellen und Forschungen zur Ostfriesischen Familien- und Wappenkunde, 36.Jg., H.5, S.97-101.

RICHTER, Arndt (1989): Genealogisch-schaubildlicher Streifzug von Friedrich dem Großen zu Karl Edzard Cirksena. Mit neuen Gedanken zum Niedergang der europäischen Dynastien; in: Quellen und Forschungen zur Ostfriesischen Familien- und Wappenkunde, 38.Jg., H.1, S.7-20.

RICHTER, Arndt (1990): Eine "Prachtgestalt" in Bismarcks Ahnentafel - Aus der Ideengeschichte einer Wissenschaft; in: Archiv für Sippenforschung, Jg.56, H.120, S.537-567.

RICHTER, Friedrich Theodor (1877): in der "Genealogisch-historischen Einleitung" zur 3. Aufl. von Friedrich Maximilian OERTELS "Genealogischen Tafeln zur Europäischen Staatengeschichte des 19. Jh." , S. IX - XIII , Leipzig (Brockhaus).

RÖSCH, Siegfried (1955): Grundzüge einer quantitativen Genealogie. Heft 31 des Praktikums für Familienforscher. Neustadt/Aisch (Degener); auch erschienen als Teil A des Buches: ders.: Goethes Verwandtschaft. Versuch einer Gesamtverwandt- schaftstafel mit Gedanken zu deren Theorie, Neustadt/Aisch 1956 (Degener).

RÖSCH, Siegfried (1961): Die Ahnenschaft der Königin Kleopatra 7. von Ägypten; in: Familie und Volk , 10. Jg., H.4, S.396-402.

RÖSCH, Siegfried (1977): Caroli Magni Progenies. Neustadt/Aisch (Degener), 229 S.

v. SCHELLING, Hermann (1945): Studien über die durchschnittliche Verflechtung innerhalb einer Bevölkerung, Jena (G. Fischer). 64 S.

WRIGHT, Sewall (1922): Coefficients of inbreeding and relationship; in: American Naturalist, 56, p. 330-338.
 



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Letzte Änderung: 12.02.2002