aus: GENEALOGIE 33 (1984 ), H.1, S. 15-22 u. H. 2, S. 44-56
Aus dieser umfangreichen Ahnenschafts-Arbeit wird nachfolgend nur die Kritik Arndt Richters an den genealogischen Aussagen des Genetikers Prof. Jaroslav Krizenecky veröffentlicht. Darüber hinaus werden noch einige Aussagen von allgemeinem bzw. statistischem Interesse zitiert: |
Dem Genetiker Prof. Dr. Jaroslav Krizenecky, zuletzt Leiter der "Genetischen Abteilung Gregor Mendel" im Mährischen Museum zu Brünn/CSSR, verdanken wir es, daß er in einem wertvollen Quellen-Buch zu Mendels Leben9 auch Schindlers genealogische Arbeiten der Vergessenheit entrissen und durch teilweisen Wiederabdruck gebührend gewürdigt hat. Ein ganzes Kapitel (25 Seiten) widmet Krizenecky darin Mendels Ahnen. Indessen kann Krizeneckys Kommentar über Mendels Ahnentafel den Genealogen gar nicht befriedigen, wenn er schreibt: "Ich bringe hier nur die Ahnentafel, die den ersten Teil der Schindlerschen Publikation bildet, ergänze sie aber mit der 5. Ahnengeneration aus dem zweiten Teil der Publikation Die früheren Generationen hier aufzuführen, würde keinen besonderen Gewinn bedeuten für das Bild von Mendels genealogischem Ursprung. Die Daten für diese entfernten Generationen sind lückenhaft: es fehlen Geburts- bzw. Todesdaten, es fehlen aber auch einzelne Ahnen selbst. Von den vorhandenen 64 Ahnen der 6. Generation konnte Schindler nur 60, von den 128 Ahnen der 7. Generation nur 86 und von den 256 Ahnen der 8. Generation nur noch 64 feststellen. Es ergab sich dabei zugleich, daß im Stammbaum10 Mendels ein ziemlich hoher Ahnenverlust vorhanden ist. Die im Sinne des genealogischen Ahnenverlustes fehlenden Ahnen sind aber nicht unter die oben genannten Nichtfestgestellten gerechnet. (Eine genaue Analyse des Stammbaumes Mendels in dieser Hinsicht reserviere ich mir für eine spezielle Studie)". - Durch den Tod. Krizeneckys im Jahre 1964 kam es leider nicht mehr zu der angekündigten Arbeit. Für den Neubearbeiter der Mendel-Ahnentafel war Krizeneckys Kommentar eine Herausforderung zu einer vergleichenden genealogischen Studie (erbbiologisch-bevölkerungswissenschaftlich orientiert). Sie soll demnächst an anderer Stelle erscheinen. Der Verfasser wird bei dieser Arbeit auf dem von Prof. Dr. S. Rösch erarbeiteten methodischen Rüstzeug der Quantitativen Genealogie aufbauen11 und möchte versuchen, Brücken zu den Nachbarwissenschaften zu schlagen. Zu Krizeneckys Ahnentafel-Kommentar sei hier aber bereits folgendes bemerkt: 1. Durch das Weglassen aller erforschten Daten ab der 6. Ahnengeneration gehen die wichtigsten Filiationsstrukturen für bevölkerungswissenschaftliche, populationsgenetische, humangenetische und genealogische Auswertungen verloren ! Ein Blick auf die graphische Übersicht der verwandtschaftlichen Verflechtung zeigt, daß diese erst in den oberen Generationen an Bedeutung gewinnt. 2. Ahnen haben bemerkenswerterweise manchmal gerade auf einem Ahnentafelplatz einer höheren Generation eine größere erbbiologische Bedeutung als auf einem in einer niedrigeren Generation hinsichtlich der x-chromosomalen Vererbung12 . 3. Die verwandtschaftlichen Verflechtungen müssen richtig, d. h. vor allem aufgrund des Forschungsstandes vollständig erkannt und dargestellt werden. Das ist aber in den beiden Ahnenlisten-Veröffentlichungen von 1930 und 1972 5,7, die sich hierin kaum unterscheiden, nicht der Fall. Da jeder Kommentar zum Erforschtheitsgrad von Mendels Ahnentafel solange illusorisch bleibt, bis die verwandtschaftliche Verflechtung innerhalb der Ahnentafel vollständig und korrekt dargestellt ist, d. h. dem jeweiligen Forschungsstand entsprechend, mußte zunächst die Ahnentafel erst einmal nach den verdienstvollen Forschungen von Schindler überarbeitet werden. Die 255 erforschten physischen Ahnen verteilen sich nämlich auf eine wesentlich größere Anzahl von Ahnentafelplätzen als es in den beiden veröffentlichten Ahnenlisten Mendels dargestellt ist 5,7. Wenn Krizenecky sich auch eine genaue Analyse des sog. "genealogischen Ahnenverlustes" für eine spätere Studie reserviert hatte, so übernimmt er doch nur die in der Veröffentlichung von 1930 angegebenen Ahnengleichheiten - kritiklos akzeptierend - und kommt damit auf viel zu niedrige Werte für den Erforschtheitsgrad und damit zu einer falschen Ausgangsbasis für jede weitere statistische Analyse der Ahnentafel. Der Neubearbeiter hat sich bemüht, die verwandtschaftlichen Verflechtungen innerhalb der Ahnentafel gemäß den Schindlerschen Ahnengleichheiten logisch zu vervollständigen, soweit keine offensichtlichen Ahnennummern-Fehler vorlagen. Verfahren wurde hier nach dem dort wenig beachteten "Axiom": Wenn zwei Ahnennummern einer dritten Ahnennummer gleichen, sind sie auch untereinander gleich! - Darüber hinaus muß streng darauf geachtet werden, daß bei Mehrfachahnen auch für deren sämtliche Vorfahren alle Ahnennummern vollständig übernommen werden! Bei fast allen hier dargestellten Filiationen ist die Zeitfolge in recht guter Ordnung. Lediglich bei zweien wird die Grenze des biologisch Möglichen erreicht. Es wurde aber zunächst auch dort an den Schindlerschen Ahnengleichheiten festgehalten, da natürlich auch nur ungenaue Geburtsdaten vorliegen können . Mit einem Umfang von "nur" 255 physischen Ahnen ohne längere "Ahnenschläuche" handelt es sich hier um eine recht "kompakte" Ahnenschaft. Mendels Ahnentafel ist im übrigen wohl auch ein geradezu klassisches Lehrbeispiel für methodische Fragen bei starken verwandtschaftlichen Verflechtungen innerhalb von Ahnentafeln (Verwandtenehen) und dadurch auch für den daraus resultierenden genealogischen Ahnenverlust. Mendels Ahnentafel gleicht andererseits aber oft auch weiter ausgebauten Ahnentafeln, da bei diesen die verwandtschaftliche Verflechtung häufig zu ähnlichen Strukturen führt. Jedoch selbst bei relativ kleinen Ahnentafeln wird die Problematik der Darstellung verwandtschaftlicher Verflechtungen manchmal durch "Ahnenschläuche" hervorgerufen, wenn diese in Gebiete vorstoßen, wo Verwandtenehen gehäuft auftreten. Da es erfahrungsgemäß bei stärkerer verwandtschaftlicher Verflechtung seine Tücken haben kann, den genealogischen Ahnenverlust korrekt in listenmäßiger (linearer) Form darzustellen, mag Mendels Ahnentafel auch von dieser Seite allgemeines Interesse beanspruchen. Rechtzeitig zum 100. Todestag von Gregor Mendel am 6.1.1984. soll daher seine neubearbeitete Ahnenliste in einer graphischen Übersicht der verwandtschaftlichen Verflechtungen gezeigt werden. Vorweggenommen sei hier bereits, daß Mendels Ahnentafel einen recht guten Erforschtheitsgrad aufweist gegenüber so mancher bekannten dynastischen, bürgerlichen oder bäuerlichen Ahnentafel mit wesentlich mehr erforschten physischen Ahnen, die aber meist durch tiefere Lücken nur einen geringeren Erforschtheitsgrad erreichen. Auch weist Mendels Ahnentafel eine Fülle von "Unregelmäßigkeiten" auf, wie sie sonst nur bei größeren Tafeln üblich sind: Neben Verwandtenehen unterschiedlichsten Grades gibt es Heiratsketten und damit zahlreiche Halbgeschwister sowie Generationsverschiebungen, die bereits zwischen der 5. und 6. Ahnengeneration auftreten. Die Ahnentafel Mendels ist aufgrund ihrer bunten Vielfalt wohl zudem ein gutes Modell, daran Computerprogramme für genealogische und nachbarwissenschaftliche Zwecke zu überprüfen bzw. vorhandene Programme auf deren Brauchbarkeit zu testen 15. |
5 | Alois Schindler: 4. Ahnentafel: Prälat Gregor Johann Mendel, Naturforscher, Entdecker der Vererbungsgesetze. In: Sudetendeutsche Familienforschung 2, Aussig/Elbe 1929/1930, H. 2, S. 76-80. |
7 | Alois Schindler / Franz E. Rössner: Ahnenliste Nr. 4 des Prälaten und Naturforschers Gregor Mendel. In: Sudetendeutsche Familienforschung 14, Fuldatal 2 (Simmershausen) 1972, H. 9/10, S. 135-151. |
9 | Jaroslav Krizenecky: Gregor Johann Mendel 1822-1884, Texte und Quellen zu seinem Wirken und Leben. Leipzig (J: Ambrosius Barth) 1965, 198 S. 6 Bildnisse u. 20 Abb. - Herausgegeben von der Dt. Akademie der Naturforscher Leopoldina durch Rudolph Zaunick. |
10 | Das Wort "Stammbaum hat in der Genetik meist den Begriffsinhalt von Ahnentafel in der Genealogie. Da ist z. B. mit dem "Stammbaum" (z. B. eines Hundes) fast immer eine Ahnentafel gemeint. |
11 | Siegfried Rösch: Grundzüge einer quantitativen Genealogie. Heft 31 des Praktikums für Familienforscher. Neustadt/Aisch (Degener) 1955, 66 S., 12 Taf. mit 31 Fig., 11 Tab., auch erschienen in: Teil A des Buches: Siegfried Rösch: Goethes Verwandtschaft. Versuch einer Gesamtverwandtschaftstafel mit Gedanken zu deren Theorie. Neustadt/Aisch (Degener) 1956, 452 S.; 1 Stich, 19 Taf. mit 43 Fig., 15 Tab., 1 Karte, sowie weitere z. T. spezielle Arbeiten von Siegfried Rösch zu diesem Thema: vor allem die Sig: Nrn. 88, 90, 107, 110, 120a und b, 123, 132, 166, 170, 197, 279 des Rösch-Schriftenverzeichnisses in: Archiv für Sippenforschung 45, Limburg 1979, H. 74, S. 89-95. |
12 | Arndt Richter: Erbmäßig bevorzugte Vorfahrenlinien bei zweigeschlechtigen Lebewesen. Die Spaltungs-Proportionen in der Aszendenz bei geschlechtsgebundener Vererbung, erläutert am Beispiel des Menschen. In: Archiv für Sippenforschung 45, Limburg 1979, H. 74, S. 96-109. |
15 | Eberhard Löflund: Gedanken zur Anwendung der elektronischen Datenverarbeitung in der Genealogie. In: Genealogie 30, Neustadt/Aisch 1981, H. 8, S. 625-639. |